Das fatale Hochwasser in Büdingen im vergangenen Jahr oder die aktuelle Energiekrise zeigen: Große Schadensereignisse können auch uns heimsuchen. In einer vierteiligen Serie informiert der Wetteraukreis deshalb über mögliche Szenarien – und wie die Bürgerinnen und Bürger vorsorgen können. Teil 1: Katastrophenschutz im Wetteraukreis und eine mögliche Gasmangellage.
Der Katastrophenschutz ist derzeit in aller Munde. „Ein sehr heißer Sommer liegt hinter uns, in verschiedenen hessischen Regionen ist es zu Waldbränden gekommen. Auch Unwetterkatastrophen oder Hochwasserereignisse nehmen zu. Weiterhin hält uns die Corona-Pandemie in Atem und für den Herbst und Winter bereiten wir uns aktuell auf verschiedene Szenarien im Hinblick auf eine mögliche Gasmangellage vor“, beschreibt Landrat Jan Weckler die aktuelle Situation.
Grundsätzlich ist der Katastrophenschutz in Deutschland Teil der allgemeinen Gefahrenabwehr und obliegt den Ländern. Gesetzliche Grundlage für den Katastrophenschutz (KatS) in Hessen ist das „Hessische Brand- und Katastrophenschutz-Gesetz“ (HBKG).
Das Land Hessen ist die oberste Katastrophenschutzbehörde (KatS-Behörde), die Landkreise übernehmen die Aufgaben der Unteren KatS-Behörde als nachgeordnete Behörde des Landes. Konkret heißt das: Das Hessische Innenministerium als Oberste KatS-Behörde koordiniert die sachliche Ausstattung des Katastrophenschutzes und deren Finanzierung, während die Unterer KatS-Behörde im Wetteraukreis für die Aufstellung, Ausbildung und Administration der einzelnen Einheiten zuständig ist.
Der Wetterauer Katastrophenschutz ist organisatorisch im Fachbereich Gesundheit & Bevölkerungsschutz der Kreisverwaltung angegliedert und kann kreisweit auf die Unterstützung von rund 800 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern zurückgreifen, die in der Regel auch in der alltäglichen Gefahrenabwehr in einer Feuerwehr oder einer Hilfsorganisation aktiv sind. Auf Grundlage der gesetzlichen Vorgaben des Landes Hessen hat der Katastrophenschutz im Wetteraukreis in verschiedenen Fachdisziplinen entsprechende Planungen und Vorkehrungen zu treffen, um im Alarm- und Einsatzfall entsprechend reagieren zu können.
Bei Eintritt einer Katastrophe kann es je nach Ausmaß zu einer Feststellung des Katastrophenfalls kommen. In solchen Fällen werden Maßnahmen zur Schadenbekämpfung durch einen sogenannten Katastrophenschutzstab (KatSstab) geleitet. Verwaltungstypische Entscheidungen im administrativ-organisatorischen Bereich werden grundsätzlich durch den sogenannten Verwaltungsstab koordiniert.
Während der KatSstab durch Führungskräfte aus dem Bereich der Gefahrenabwehr besetzt wird, so sind im Verwaltungsstab Führungskräfte aus allen Bereichen der Kreisverwaltung tätig. Die im Wetteraukreis etablierten Stäbe nehmen also gemäß ihrer Zuständigkeiten unter Führung des Landrats die Aufgaben des Krisenmanagements wahr. Hierzu können bei Bedarf, neben der ständigen Vertretung der Polizei im Krisenmanagement, auch noch weitere externe Fachberater und Verbindungspersonen aus anderen Bereichen oder Behörden, etwa der Bundeswehr, der Energieversorgung oder der Wasserwirtschaft, hinzugezogen werden.
Energiesparen und Vorbereitung einer möglichen Gasmangellage
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hatte bereits im Juni die zweite Stufe des „Notfallplans Gas“, die sogenannte Alarmstufe, ausgerufen: Aktuell ist die Versorgungssicherheit zwar gewährleistet, aber die Lage ist angespannt. In Anbetracht einer etwaigen Gasmangellage in den Wintermonaten bereitet sich der Wetteraukreis bereits seit Wochen intensiv auf mögliche Szenarien vor.
„Unser Krisenmanagement tagt regelmäßig und in kurzen Abständen, um die Situation zu sondieren und gegebenenfalls kurzfristige Maßnahmen ergreifen zu können“, informiert Landrat Jan Weckler. Dazu gehören neben einem Austausch mit den Wetterauer Kommunen und den Energieversorgern auch kurz- und langfristige Energiesparmaßnahmen sowie Vorbereitungen für die Einrichtung von Betreuungsstellen oder die Sicherstellung der Notfallversorgung in Krankenhäusern. Mit dem neuen Katastrophenschutz-Lagezentrum in der Steinkaute in Friedberg, das erst vor wenigen Monaten in Betrieb genommen wurde, verfügt der Wetteraukreis über moderne und zeitgemäße Technik und organisatorische Ausstattung.
„Unser Katastrophenschutz ist nicht zuletzt dank des hervorragenden Engagements der vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer gut aufgestellt. Aber auch die beste Hilfe ist nicht immer sofort zur Stelle, denn gerade bei großflächigen Schadenslagen können die Rettungskräfte nicht überall gleichzeitig sein. Auch wenn kein Grund zur Panik besteht, ist es deshalb wichtig, dass die Menschen im Wetteraukreis auch in Eigenverantwortung für den Ernstfall vorsorgen“, betont Landrat Weckler.
Selbsthilfe ist hier das Stichwort: Das Bundesamt für Katastrophenschutz empfiehlt deshalb, zuhause stets über einen Vorrat an Nahrung und Wasser für zehn Tage zu verfügen. Auch eine Hausapotheke sollte vorhanden sein, damit kleinere Verletzungen und leichte Erkrankungen im Notfall selbst behandelt werden können. Zudem sollten alle Haushalte über ein batteriebetriebenes Radiofunkgerät samt Ersatzbatterien oder ein Solar- oder Kurbelradio verfügen – so können auch im Falle eines Stromausfalls aktuelle Meldungen verfolgt werden.
In Anbetracht der Gasmangellage ist es darüber hinaus ratsam, sich mit Verwandten und Freunden zu vernetzen, die nicht von Gas abhängig sind: Gegebenenfalls können so kürzere Zeitspannen überbrückt werden, in denen die eigene Heizung nicht funktioniert.
Sämtliche Informationen, Tipps und hilfreiche Checklisten sind online beim Bundesamt für Katastrophenschutz unter dem Stichwort Warnung und Vorsorge zu finden.
Den Katastrophenfall feststellen
In Fällen, in denen das Schadensereignis übergreifend ist, das heißt beispielsweise ein besonders großes Ausmaß für die Bevölkerung hat oder wesentliche Infrastruktur nachhaltig zerstört wird, kann entsprechend der gesetzlichen Vorgaben der sogenannte Katastrophenfall ausgerufen werden. Eintritt und Ende des Katastrophenfalls stellt der Landkreis als untere KatS-Behörde im Einvernehmen mit der obersten KatS-Behörde – also dem Land Hessen – fest (§34 HBKG). Auch der Begriff der Katastrophe ist im HBKG definiert (§24 HBKH).
Insgesamt wurde in der Geschichte der Bundesrepublik bisher sehr selten der Katastrophenfall durch eine untere KatS-Behörde festgestellt – im Wetteraukreis ist dies noch nicht vorgekommen. Ein Beispiel für die Feststellung des Katastrophenfalls stellt die Flutkatastrophe im Ahrtal im Sommer 2021 dar.