Düdelsheim hat seine historische Schulglocke wieder. Die letzten Jahrzehnte hatte diese im Büdinger Heuson-Museum verbracht. Nun steht die Glocke aufbereitet im Sitzungssaal des Alten Rathauses – direkt gegenüber dem Schulhaus, in dessen Dachreiter sie einst hing. Für viele Düdelsheimer ist die Rückkehr eine emotionale Angelegenheit.
Erst vor wenigen Tagen hat Ramon Franke die Arbeiten abgeschlossen. „Es war ein bisschen was zu tun, aber ich mache das gerne. Gerade wenn es um unsere Heimatgemeinde geht“, verrät der handwerklich versierte Mess- und Regelelektriker, der dem Düdelsheimer Ortsbeirat vorsteht. Das Gestell samt Aufhängung hat Franke modifiziert und anschließend mit der Glocke verschraubt. Und auch ein ansehnliches Dach hat er gebaut, das nun über der traditionsreichen Glocke ragt. „Unsere alte Schulglocke ist jetzt dort, wo sie hingehört. In Düdelsheim.“ Und schon bald sollen die Düdelsheimer ihre über 100 Jahre alte Schulglocke zu Gesicht bekommen.
1920 wurde die Glocke im Rahmen eines Großversuchs der Gießereien Buderus und F.W. Rinker in Sinn am Fuße des Westerwalds in Stahl gegossen, ehe sie auf das Dach des Düdelsheimer Schulhauses kam. Eine Plakette am Gestell erläutert ihre damalige Funktion: „Die Glocke diente am Vor- und Nachmittag sowie zum Zeitläuten um 11 und 17 Uhr (Mittag, Vesper).“
Dass die Glocke nun überhaupt wieder in heimischen Gefilden ist, geht auf Gespräche zwischen dem ehemaligen Düdelsheimer Ortsvorsteher Robert Preußer und dem Büdinger Historiker Joachim Cott zurück. „Die Sanierung des Büdinger Heuson-Museums war die passende Gelegenheit, um unsere Schulglocke wieder zurückzuholen”, erzählt Preußer, der sich noch gut an das Geläut von damals erinnern kann. Als Schüler hat er sie zwar nie zu
Gesicht bekommen, wohl aber hat er das Geschelle noch genau im Ohr. „Die Schulglocke gehört einfach zu Düdelsheim, genau wie unser Markt“, sagt er.
Als die Mitarbeiter des städtischen Bauhofs die Glocke im Juni vom Heuson-Museum ans Düdelsheimer Rathaus brachten, war es Preußer, der die Palette in Empfang nahm. Nicht nur für ihn ein emotionaler Moment: Zuletzt war das eiserne Prachtstück 1992 für kurze Zeit in Düdelsheim – zur 1200-Jahr-Feier. Erzählungen nach soll sie damals einige Menschen zu Tränen gerührt haben. Und auch als die Glocke diesmal eintraf, schwelgten alteingesessene Düdelsheimer in Erinnerungen, wie die Schulglocke ihren damaligen Alltag begleitete.
Wer im Rathaussaal vor der neu in Szene gesetzten Glocke steht, braucht sich nur umzudrehen, um durch die braunen Sprossenfenster auf das 1879 erbaute Schulhaus zu blicken, in dessen Dachreiter sie einst hing. Noch heute werden dort Pennäler unterrichtet – allerdings auf einem deutlich größeren Gelände. Denn in den letzten Jahrzehnten sind gleich mehrere neue Gebäude entstanden. 1962 starteten die Planungen, auf der angrenzenden Marktweide die damals aus sieben Klassen bestehende Lehranstalt zur Mittelpunktschule zu erweitern. Nur ein Jahr darauf kam es zur sogenannten Schulverbandsgründung: Zunächst zählten Rohrbach und Aulendiebach zum Schulverband mit Düdelsheim, später folgten Orleshausen, Calbach und Eckartshausen. Seit 1979, als auch die letzte verbliebene
Grundschule in Eckartshausen geschlossen wurde, pendeln die Kinder aus den Büdinger Stadtteilen regelmäßig per Bus nach Düdelsheim.
Aktuell besuchen rund 250 Grundschüler die Georg-August-Zinn-Schule, wie sie seit Mitte der Sechziger heißt. „Düdelsheim ist seit Jahrzehnten ein wichtiger Schulstandort im Wetteraukreis“, betont die stellvertretende Ortsvorsteherin Kerstin Gohlke. „Das Ganztagsangebot ermöglicht seit 2018 eine Kinderbetreuung von 7 bis 17 Uhr. Für viele Familien aus Düdelsheim und der Umgebung ist das eine immense Unterstützung, gerade in den aktuell schwierigen Zeiten“, ergänzt Gohlke. „Und für unseren Ort ist unsere Schule ein wichtiger Standortfaktor.“
Dass die Schulglocke nun ihren Weg zurück ins Schulhaus findet, ist nicht angedacht. Ihre neue Heimat soll der Rathaussaal werden. Gewisse schulische Erfahrungen hat der Saal zumindest vorzuweisen: Während der Renovierungsarbeiten des Schulhauses in den Sechzigern musste dieser nämlich als Klassenzimmer herhalten. Aber sicherlich wird die historische Düdelsheimer Schulglocke auch dort halten, was ihre Inschrift verspricht: „Und
den Menschen ein Wohlgefallen“.